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Warum Politiker jetzt mit einem eigenen Podcast starten sollten - und wann nicht!

PODCASTMANIA Audio Blog #013

8. Mai 2020

Gastbeitrag von Martin Fuchs

Corona-Zeiten sind Podcast-Zeiten. In den vergangenen Wochen hatte man den Eindruck, dass die Kontaktsperre der wichtigste Treiber für neue Podcast-Projekte wurde. Wahrscheinlich gibt es aktuell mehr neue Podcasts als Hörer*innen. ;) Nicht ganz. Für die USA zeigen erste Studien, dass die Podcastnutzung während der Pandemie um 18 Prozent angestiegen ist, bei den Millennials sogar um 27 Prozent. In Deutschland wird es ähnlich aussehen.

Und in der Politik? Bereits vor der Krise war die Szene von Politiker*innen-Podcasts sehr überschaubar & sie nicht viel größer geworden. Und das obwohl unzählige erfolgreiche Podcasts über Politik zeigen, dass das Interesse der Hörer*innen an politischen Inhalten nicht nur in Krisenzeiten extrem hoch ist. Aber soll ich als Politiker*in oder politische Institution nun auch noch podcasten und meine Inhalte für Audio aufbereiten? Und wie geht das erfolgreich? In den letzten Monaten habe ich gemeinsam mit Finn Lasse Andresen für euch alle Podcasts von Politiker*innen in Deutschland angehört (sic!). Das klingt verrückt. Und das war es auch.

Mit deiner Stimme kannst Du deine Inhalte viel besser transportieren

Aber als Ergebnis können wir festhalten: Ein Podcast ist meist eine sehr gute Idee für die politische Kommunikation, da er Politiker*innen nahbarer macht, Zwischentöne zulässt, komplexe Gedanken transportieren kann und die digitale Kommunikation unabhängiger von den großen Social-Media-Plattformen macht.

Kommuniziere strategisch & langfristig

Politische Podcasts sind dann erfolgreich wenn sie als Marathon angelegt sind und nicht als Sprint. Kurz vor Wahltagen mit 3 Folgen die Podcastwelt erobern wird nie funktionieren. Aber ein strategisch klug und professionell umgesetztes Format kann langfristig Sinn machen. Dafür muss der Podcast aber kontinuierlich erscheinen und maximal auf die avisierte Zielgruppe ausgerichtet werden. Das heißt am Ende auch: Mehrwert bieten für die Zuhörer*innen. Nur die eigenen Positionen als vorgelesene Pressemitteilung aussenden wird sich niemand anhören.

Mache dich unabhängiger von Social-Media-Plattformen

Wenn Du glücklich bist mit deiner Kommunikation auf den klassischen Social-Media Plattformen, dann lies hier nicht weiter. Wenn Du allerdings das Gefühl hast, dass deine Inhalte immer schlechter organisch ausgespielt werden, der Datenschutz dir immer größere Bauchschmerzen bereitet, die Diskussionskultur unter deinen Postings dich unglücklich macht und Du schon länger immer nur die gleichen Fans erreichst, dann solltest Du über einen Podcast nachdenken. Dieser macht Dich ein unabhängiger von den Algorithmen bei Facebook Insta & Co.

Die besten Podcasts sind die, die auch andere Meinungen, Ideen und Positionen zulassen

Neben Spotify, Apple Podcasts & Google Podcasts gibt es eine Reihe von weiteren Plattformen, die dir ermöglichen deinen Podcast kostenfrei zu veröffentlichen. Aber auch auf deiner Webseite ist Platz dafür. Selbstverständlich kann und sollst du den Podcast noch auf deinen Social-Accounts bewerben, mit der Zeit baust Du dir aber eine eigene Podcast-Community auf, die er Dir ermöglicht deine Fans - unabhängig von Social Media - digital direkt zu erreichen und bestenfalls in deine Kommunikation einzubinden.

Politiker*innen podcasten: Grünen-MdL aus Schleswig-Holstein Aminata Touré und Lasse Petersdotter (o.l.), MdB und FDP-Chef Christian Lindner (o.r.), MdB Thomas Sattelberger (FDP) & YouTuber Fabian Grischkat (u.l.), MdB Petra Sitte (Die LINKE) (u.r.) / © d. jew. Podcast-Formate

Deine Stimme ist mächtiger als reiner Text

Nichts schafft eine größere Nähe zwischen Bürger*in und Politiker*in als ein ist persönliches Vier-Augen-Gespräch. Der Podcast ist eines der besten Formate, um da nah ranzukommen. Man muss nicht schreien, keine lang ausformulierte Rede halten und auch keine Angst vor Ähhs & vor längeren Denkpausen haben. Die gehören ebenso in einen authentischen Podcast, wie Hintergrundgeräusche. Ein guter Podcast ist wie ein Gespräch am Nachbartisch, dem man gerne zuhört ;) So wie bei “Das nehme ich mal mit”, dem Podcast der jungen Grünen-MdL aus Schleswig-Holstein Aminata Touré und Lasse Petersdotter.

Mit deiner Stimme kannst Du deine Inhalte viel besser transportieren, ungekünstelt & wie im Small talk an der Haustür.

Duration doesn't matter

Das schöne am Podcasten ist, dass es fast egal ist wie lange man sendet - solange man auch was zu sagen hat. Für viele Podcasts von Politiker*innen haben sich 30 - 40 Minuten pro Folge als gute Länge erwiesen. Das bietet genügend Platz für Zwischentöne, laute Gedankenspiele, differenzierte Diskussion und reduziert die Gefahr von unnötigen Verkürzungen und Zuspitzungen insbesondere bei komplexen Themen, die den Platz brauchen um seriös erörtert zu werden.

Profitiere von anderen Meinungen & Stimmen 

Wenn Du dich gerne selber hörst, ist ein Podcast keine gute Idee. Die besten Podcasts sind die, die auch andere Meinungen, Ideen und Positionen zulassen. Am besten gelingt das, wenn man spannende Menschen zu sich einlädt oder in andere Formate geht. Beste Beispiele sind das Erfolgsformat von MdB Christian Lindner (“Ein Thema, 2 Farben”) oder die Podcasts von MdB Petra Sitte (Die LINKE), MdA Raed Saleh (SPD), MdB Claudia Moll (SPD) und MdB Andreas Steier (CDU).

Lasse dabei die Kontroverse und Konflikte zu, das macht das Gespräch spannender und schafft Mehrwert bei den Zuhörer*innen, am konsequentestes hat dies wohl MdB Thomas Sattelberger (FDP) umgesetzt, der wöchentlich bei “Schräg im Stall” mit dem 19-jährigen YouTuber & bekennenden FDP-Nichtwähler Fabian Grischkat diskutiert.

Aber es geht auch ohne externe Gäste, OB René Wilke (Die LINKE) aus Frankfurt/Oder berichtet hautnah aus seinem Leben als Bürgermeister - das ist extrem hörenswert, aber auch weil er dies dialogisch mit einer Co-Podcasterin tut.

Über unseren Gastautor: Martin Fuchs berät Regierungen, Parlamente, Parteien und Verwaltungen in digitaler Kommunikation. Zuvor war er Politik- und Strategieberater in Brüssel und Berlin. Er ist Dozent für digitale Kommunikation und Politik an verschiedenen Hochschulen. / Foto: privat