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Audio-Storytelling: Was Podcasting mit Reportagen zu tun hat

PODCASTMANIA Audio Blog #003

29. Oktober 2018

Was bedeutet eigentlich „Podcast“? – In der Suche bei Google erscheint diese Definition:

Bedeutet fürs gesprochene Wort also, dass Podcasts eine Reportage-Sprache brauchen, oder?

Fun Fact: Reportage-Sprache bitte nicht verwechseln mit der Reporter-Sprache, wie sie die Frankfurter Allgemeine Zeitung zur Fußball-WM 2010 so wunderbar karikierte.

In der Tat ist der Bezug zwischen Podcasting (Play On Demand-Cast) und Reportage aber ein sehr interessanter, der absolut Sinn macht. Denn zu den typischen Merkmalen einer klassischen Reportage gehören:

  • szenischer Einstieg (Beginn mit der Schilderung einer Situation, einer Art Momentaufnahme aus dem Geschehen) 
  • Einstieg mit einem Zitat (eine Person kommt zu Wort)
  • ein bis zwei Hauptpersonen
  • Verwendung von Zitaten (z.B. aus Interviews) 
  • Hintergrundinformationen werden eingestreut 
  • Spannungsbogen
  • roter Faden
  • gestalteter Schluss 
  • beschreibt einen aus der unmittelbaren Situation erwachsenen Augenzeugenbericht eines Ereignisses, der dessen Atmosphäre festhält und weitervermittelt
  • bildhafte Sprache (beschreibende Adjektive, Vergleiche, sprachliche Bilder).

Storytelling im Podcast: Ein Muss für Kino im Kopf

Vor allem die bildhafte Sprache, oder das berühmte „Kino im Kopf“, macht für Podcast-Macher und Hörer total Sinn, weil es nur diesen einen Audiokanal gibt – was einmal raus ist, ist draußen! Ok, Hörer können ggfs. zurück spulen, aber wer macht das schon? Und zurückblättern oder noch mal nachlesen wird in diesem Fall umständlich. Eine praktische Übersicht bietet da in Auszügen das Kapitel „Fürs Hören schreiben“ aus „Radio-Journalismus: Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis im Hörfunk“, herausgegeben von Walther von La Roche und Axel Buchholz.

Lesen:

  • Leser kann im Text springen
  • Text wird durch Schrift und Aufmachung akzentuiert
  • Leser kann selbst die Lesegeschwindigkeit bestimmen
  • Leser kann Nicht-Verstandenes noch einmal lesen.

Hören:

  • Hörer muss warten, bis wieder was kommt
  • Text wird durch Betonung und andere Mittel akzentuiert
  • Hörer muss mit der Sprechgeschwindigkeit des Moderators/Reporters/Hosts hören
  • Hörer kann jedes Wort nur einmal hören und sich nicht so viel auf einmal merken.

Profi-Moderatoren und Podcast-Hosts gehen sogar noch weiter und beachten diese Reportage-Praktiken, um mit ihrem gesprochenem Wort möglichst galant und sympathisch ins Ohr zu gelangen:

  • Keine Euphemismen (wofür sollen wir um den heißen Brei herumreden??)
  • keine Schachtelsätze
  • keine Dampfplauderei, nicht viel labern, sondern wirklich erzählen.

Dafür:

  • Metaphern („Politik ist die Kunst des Möglichen. Man kann nur mit den Mädchen tanzen, die im Saal sind.“)
  • Sprichwörter („Wer Schwierigkeiten sucht, findet immer welche.“)
  • Zitate („Wäre, wäre, Fahrradkette“).

Bildhafte Sprache: Wohin geht die Reportage-Reise in einem Podcast?

All diese Anwendungsmöglichkeiten und Ideen sollen in erster Linie als theoretische Hinweise dienen. Denn natürlich leben Podcasts, vor allem in Talk-Formaten, von real authentischen Gesprächen. Nur kann es durchaus Sinn machen, und das Audio damit noch spannender, wenn immer wieder die bildhafte Sprache vom Host angewendet wird, als nur einfach darauf zu verweisen den aktuellen Episoden-Kontext bei Google nachzuschauen. Gerade zu Beginn der Reportage bzw. des Podcasts ist es wichtig, den Hörer mit „auf die Reise“ und damit an den Ort des Geschehens zu nehmen.

Beispiel: „Ein Haus hat gebrannt.“

Die Reportage beschreibt detailliert, wie es darin aussieht, und versucht, beim Hörer das „Kino im Kopf“ ablaufen zu lassen. Er schildert die „versengten, schwarzen Treppengeländer, denen man nur schwer ansieht, dass sie aus Holz sind.“ Die Reportage kann auch versuchen, sprachlich die verschiedenen Sinne des Lesers zu wecken: „Das Atmen fällt schwer. Noch liegt schwefelartiger Geruch in der Luft. Das verkohlte Treppengeländer zerfällt unter der Hand. Das Feuer hat ganze Arbeit geleistet.“

Somit umfasst die Reportage gleichermaßen Information und Unterhaltung. Es geht um das Erzählen des Wahrgenommenen. Eine Reportage, das Dokumentieren in bildhafter Sprache ist dramaturgisch aufgebaut und hat damit auch immer einen unterhaltsamen Charakter. Und das passt: Für Reportagen und Podcasts fotografieren wir mit Worten.

Quellen:

Werk „Radio-Journalismus: Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis im Hörfunk“